Organisation:
Gabriele Geml
(Institut für Philosophie Wien)
Wolfgang Fuhrmann
(Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig)
Nikolaus Urbanek
(Universität für Musik und darstellende Kunst Wien)
Han-Gyeol Lie
(Kunstuniversität Graz)
Veranstaltende und kooperierende Institutionen:
- Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig
- Institut für Philosophie der Universität Wien
- Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
- .akut – Verein für Ästhetik und angewandte Kulturtheorie
»Es gibt kein richtiges Leben im falschen.« – »Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.« – »Aufgabe von Kunst heute ist es, Chaos in die Ordnung zu bringen.“ Solche pointierten Formulierungen, die sich beinahe als Slogans bezeichnen lassen, haben Theodor W. Adorno (1903–1969) auch bei denjenigen bekannt gemacht, die seine Schriften nicht gelesen haben, und oft werden sie in falscher Vereindeutigung für die komplexe gedankliche Bewegung seiner Texte substituiert. Adorno selbst erblickte seinen philosophischen Beitrag allerdings nicht so sehr in »Thesen oder Positionen«, als in dem dynamischen Sinnzusammenhang seiner Texte, die er mit Begriffen wie »Kraftfeld«, »Essay« oder »Komposition« belegte und deren Intention sich ihm mit der Idee der Autonomie verband.
Zweifelsohne lassen sich die in Adornos Schriften geltend gemachten theoretischen oder sozialkritischen Inhalte abstrakt referieren oder übersetzen – doch geht damit bisweilen ein Verlust an philosophischem Gehalt einher, denn kaum weniger zweifellos leben Adornos Texte nicht zuletzt von der Spannung, die von seiner mitunter hermetischen, zugleich aber oft unvermutet anschaulichen und von polemischem Witz immer wieder durchbrochenen Sprache ausgeht. Diese Sprache ist keineswegs nur – je nach Blickpunkt – literarischer »Stil« oder philosophischer »Jargon«. Die sprachliche Gestalt in ihrer eigentümlichen, sich der eingleisigen Argumentation oder übersichtlich gegliederten Struktur bewusst widersetzenden Form ist vielmehr integraler Bestandteil seiner philosophischen Denkbewegungen: keine bloße Form für Inhalte, die sich auch anders sagen ließen, sondern von konstitutiver Bedeutung für das Gedachte wie zu Bedenkende.
Die konstitutive Funktion der Sprache wird gerade auch in jenem Bereich seines Schreibens deutlich, der auf alle anderen ausgestrahlt hat, und dem Adorno die prägnant doppelsinnige Bezeichnung »Musikalische Schriften« gab; ähnlich, wie er in späteren Jahren von »Ästhetischer Theorie« sprach. In diesen Schriften gelang es Adorno, der seine schriftstellerische Tätigkeit als Musikkritiker begonnen und der darüber hinaus bei Alban Berg Komposition studiert hatte, nicht nur den Zwiespalt zwischen einer für viele unzugänglichen, aber exakten musiktheoretischen Terminologie und einer metaphorischen Umschreibung der expressiven und atmosphärischen Qualitäten von Musik produktiv auszuloten; er unternahm auch den bis heute kontroversiellen Versuch, in Musik gesellschaftliche Sinngehalte unter Rekurs auf die philosophische Kategorie der Wahrheit aufzudecken. Dabei erscheint die Konzeption eines »musikalischen Schreibens« doppelt bemerkenswert bei einem Autor, dessen Fragment über Musik und Sprache mit dem Satz schließt: Die Sprachähnlichkeit der Musik »erfüllt sich, indem sie von der Sprache sich entfernt.«
Die Tagung will sich – in einer Zeit, in der sich nach dem Wort von Werner Hamacher ein »anti-philologischer Affekt« unter den Geisteswissenschaften beobachten lässt – Aspekten der Sprache, des Stils und des Schreibens, insbesondere aber dem Verhältnis von sprachlich artikuliertem Gedanken und Musik bei Adorno widmen. Im Fokus steht das Verhältnis von philosophischer Sprache, die sich in der Bewusstheit ihrer Formung auch als ästhetisch geprägt verstehen lässt, und der verbalen Annäherung insbesondere ans musikalische Phänomen.
Der Titel der Tagung »Worte ohne Lieder« zitiert den ursprünglichen Titelvorschlag Adornos für jene Essay-Sammlungen, die schließlich – unter Wahrung des musikalischen Anklangs – als Noten zur Literatur erscheinen sollten.
MI | 10. NOVEMBER 2021
mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Franz Liszt-Saal | Lothringer Straße 18, 1030 Wien
Auftakt
19:30 - 20:15
Begrüßung durch die Veranstalter
Franz Schubert: Auszüge aus: Sonate in D-dur D 850
Gustav Mahler: Auszüge aus: »Ging heut‘ morgen über’s Feld«
Theodor Wiesengrund Adorno: Die böhmischen Terzen, Valsette
Han-Gyeol Lie, Klavier
DO | 11. NOVEMBER 2021
mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Fanny Hensel Saal | Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien
09:00 - 10:45
Begrüßung durch Mag. Ulrike Sych, Rektorin der mdw
Moderation: Wolfgang Fuhrmann
Worte ohne Lieder. Adornos musikalische Gedankengänge
Gabriele Geml
Die Dinge selbst zum Sprechen bringen. Über Adornos philosophische Sprache
Max Beck und Nicholas Coomann
11:30 - 13:00
Wirkung oder Werk. Zu den Vorträgen von Theodor W. Adorno
Michael Schwarz
›Adorno is difficult to translate, fiercely so, but it is no use trying to do the job with a constant sense of abdication.‹ Von der Übersetzbarkeit Adornos
Lars Fischer
13:00 - 15:00
Mittagspause
Moderation: Maxi Berger
15:00 - 16:30
Das Moment der Form. Die Affinität der sprachlichen Komposition der ›Ästhetischen Theorie‹ zur Musik
Elettra Villani
Der ›Revisionsprozeß um das Naturschöne‹ und das (musikalische) Kompositionsprinzip der Ästhetischen Theorie
Hans-Joachim Hinrichsen
FR | 12. NOVEMBER 2021
mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Fanny Hensel Saal | Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien
Moderation: Julia Freund
10:00 - 11:30
› ... so schmerzt eine hellgraue Wolkendecke in empfindlichen Augen‹ Metaphern, Vergleiche, Bildwelten in Adornos musikalischer Sprache
Wolfgang Fuhrmann
Wie kommt die Dampfmaschine in Mahlers Erste Symphonie? (Ironisches) Schreiben über Musik als Hörexperiment
Boris Voigt
12:00 - 13:30
Versteinerte Laute. Namen bei Adorno
Han-Gyeol Lie
Adornos Kafka
Violetta Waibel
13:30 - 15:30
Mittagspause
Moderation: Maxi Berger
15:30 - 17:00
Mit Stil gegen Stil. Überlegungen zu einer Schlüsselkategorie bei Adorno
Pola Groß
Ideologisch gefährdete Zonen. Schlusssätze bei Adorno
Christian Grüny
17:30 - 18:15
Formanalytische Überlegungen zu Theodor W. Adornos Essayband ›Quasi una fantasia‹
Julia Freund
SA | 13. NOVEMBER 2021
mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Fanny Hensel Saal | Anton-von-Webern-Platz 1 | 1030 Wien
Moderation: Nikolaus Urbanek
10:00 - 11:30
Zur Aktualität immanenter Kritik – Musikalische Analyse als (auch) ästhetische Praxis
Cosima Linke
Die Psychoanalyse in Adornos Texten zur Zweiten Wiener Schule. Interpretationen exemplarischer Passagen
Andreas Karl
12:00 - 13:30
Von der (Un)Möglichkeit eines ›sinnvollen Nebeneinanders der Gegensätze‹. Adornos sprachliche Spuren in Albrecht Wellmers Versuch über Musik und Sprache
Sophie Zehetmayer
Adorno: Sprache und Musik
Claus-Steffen Mahnkopf
Im Vorfeld der Tagung im November 2021 in Wien fand im Mai 2021 ein Online-Workshop statt:
Teil 1: Online-Diskussions-Workshop 14/15. Mai 2021
Worte ohne Lieder. Von der Sprachästhetik zur ästhetischen Theorie in Adornos musikalischen Schriften.
Freitag, den 14. Mai 2021
09.45 - 10.00
Begrüßung und Informationen zum Ablauf durch die Veranstalter
Moderation: Wolfgang Fuhrmann
10.00 - 11.30
Thomas Dworschak: Zählen und Erzählen – Ausrichtungen des Sprachvermögens auf Musik
Referent: Christian Grüny
Michael Schwarz: Verbindlichkeit sachlicher Darstellung oder Herüberkommen. Zu den Vorträgen von Theodor W. Adorno
Referentin: Maxi Berger
Moderation: Gabriele Geml
12.00 - 13.30
Tobias Albrecht: Der Essay als (philosophische) Haltung
Referent: Wolfgang Fuhrmann
Elettra Villani: Die Affinität der sprachlichen Komposition der ‚Ästhetischen Theorie‘ zur Musik
Referent: Lars Fischer
Moderation: Han-Gyeol Lie
16.00 - 17.30
Max Beck und Nicholas Coomann: Form, Inhalt, Ausdruck und Material. Adorno und die Sprache der Philosophie
Referent: Karsten Mackensen
Philipp Hogh: Adorno über musikalische Schrift und Raum
Referentin: Julia Freund
Moderation: Gabriele Geml
18.00 - 19.30
Julia Freund: Zum Finalproblem in Adornos ‚Quasi una fantasia‘
Referent: Andreas Karl
Christian Grüny: Ideologisch gefährdete Zonen. Schlusssätze bei Adorno
Referentin: Sophie Zehetmayer
Samstag, 15. Mai 2021
Moderation: Wolfgang Fuhrmann
10.00 - 11.30
Karsten Mackensen: Adornos Rede vom Gestischen: Auf dem Weg zu einer Theorie musikalischer Agency?
Referent: Thomas Dworschak
Lars Fischer: ‚Adorno is difficult to translate, fiercely so, but it is no use trying to do the job with a constant sense of abdication”. Von der Übersetzbarkeit Adornos
Referent: Claus-Steffen Mahnkopf
Moderation: Nikolaus Urbanek
12.00 - 13.30
Sophie Zehetmayer: Von der (Un)Möglichkeit eines ‚sinnvollen Nebeneinanders der Gegensätze‘. Adornos sprachliche Spuren in Albrecht Wellmers Versuch über Musik und Sprache
Referentin: Gabriele Geml
Claus-Steffen Mahnkopf: Sprache und Musik
Referent: Nikolaus Urbanek
16.00 - 17.30
Pola Groß: Mit Stil gegen Stil. Überlegungen zu einer Schlüsselkategorie bei Adorno
Referentin: Han-Gyeol Lie
Organisatorische Anmerkung: Dieses Zeitfenster soll ebenfalls zur freien Diskussion sowie zur Präsentation noch nachgereichter Textbeiträge genutzt werden.
17:30 - 17:45
Coda
Adorno im Fernsehgespräch mit Hans Otte / Radio Bremen, 18.3.1967 © Theodor W. Adorno Archiv (Signatur VA 22)
Theodor Wiesengrund Adorno
aus den Sechs Studien für Streichquartett [1920]
Felix Mendelssohn Bartholdy
Lieder ohne Worte op. 62.1, Edwin Fischer