Kalten Staub aufwirbeln. Winterreisen um 1816

Konzertantes Symposion | 29.-30. September 2016

Grafik: Miriam Trilety
Grafik: Miriam Trilety
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PROGRAMMHEFT Symposion
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DO, 29. September 2016 | von 9:30 bis 17:45

Altes Rathaus Wien 

 

FR, 30. September 2016 | von 9:30 bis 17:45

Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

 

Als »Jahr ohne Sommer« ist das Jahr 1816 in die europäische Geschichte eingegangen, nachdem im Vorjahr in Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen war. Er zog als gewaltige Aschewolke bis nach Europa, legte sich in die Atmosphäre und veränderte das Klima wie die Sicht auf den Himmel im nachfolgenden Zeitraum grundlegend. Der Rhythmus der Jahreszeiten war in weiten Teilen Europas und Nordamerikas verstört – Winter breitete sich aus, noch in den Sommermonaten fiel mancherorts Schnee.

»Achtzehnhundertunderfroren« wurde in eben jenen Jahren der Missernten und Hungersnöte zu einem Begriff, die in Deutschland und Österreich auch vor dem Hintergrund der politischen Restauration den verstärkten Rekurs auf Wintermetaphern nahelegten.

 

Doch der Vulkanstaub in der Atmosphäre hatte nicht nur eine ausgedehnte Periode der Kälte zufolge, er bewirkte auch eine eindrückliche Veränderung des Tageslichts. So wurden die Himmel über Europa durch den ungewöhnlichen Staubanteil in der Luft keineswegs nur düsterer, vielmehr färbten sich auch die Sonnenauf- und untergänge mit besonderer Intensität und seltene Licht- und Niederschlagsphänomene wie Nebensonnen und Blutregen wurden beobachtbar.

 

Vor diesem Hintergrund wendet das Symposion den Blick zurück in die »verstaubte« Vergangenheit, in die Biedermeier-Zeit um 1816, die von nicht wenigen Zeitzeugen als apokalyptisch erlebt worden war. Insbesondere die beiden Jahre nach dem Ausbruch des Tambora, die zunächst eine bedrohliche Kältewelle, in der Folge eine Zeit der Missernten brachten, versetzten die europäische Bevölkerung, die von einem Zusammenhang der gewahrten Witterungsphänomene mit einem Vulkanausbruch am anderen Ende der Welt zunächst nichts ahnen konnte, in mehr oder weniger rationale Ängste. Als »Hungerjahre« sind die Jahre 1816/17 in Erinnerung geblieben; sie gingen einher mit einer massiven Teuerung und beunruhigenden Spekulationen über ein mögliches »Ausbrennen« der Sonne.

 

Aus der Perspektive des Tambora präsentiert sich die Staubschicht über der Biedermeierzeit buchstäblich in neuem Licht. Ausgehend von den Künsten und unter dem Eindruck der heute virulenten Problematik des anthropgogenen Klimawandels will das Symposion die Auswirkungen des Tambora-Ausbruchs in Europa und spezifisch in Österreich fokussieren, die die Zeitgenossen erlebten, ohne auf ihre eigentliche Ursache rückschließen zu können: die drastischen Kälte-Einbrüche und Niederschlagsmengen im Sommer 1816, die daraus resultierenden Ernte-Ausfälle und Hungersnöte, die unmittelbaren wie langfristigen soziokulturellen Folgen der Tambora-Krise sowie die besonderen Licht- und Stimmungsphänomene, die sich in jener bisweilen »romantisch« genannten Zeit intensivierten. 

 

Ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung soll auf dem Werk Franz Schuberts liegen, das wesentlich im Zeitraum zwischen 1814 und 1828 entstand und damit auch in jenen Jahren, die in besonderem Maße von der Tambora-Atmosphäre und -Krise bestimmt waren.