Michael Donhauser: Das ewige Leben

Hat Teil, wen es treibt, das Leben, ihm eine Weile zu verleihen, es vielleicht verneinend nur zu begleiten, wenn stets auch entrinnt, doch restlos nicht, was bezeugt von einem Gewebe, ob entwendet oder vergessen, bleibt, einem Schleier oder Kleid: als wäre Beweis, dass da war, was flüchtig hieß, dies Tuch, das Faden für Faden zu schummeln oder schimmern scheint. Wie vor sich hin geleiert, so lächelt und nennt unvergesslich, trauert zuletzt, was etwas launig lässt oder begreift, da selbst dort, wo alles Fließen ruht, die Ruhe nie Ankunft, selbst im Tod nicht, kann sein. Denn bricht auch ab, was ist, ist Ende nicht, doch Anlass das Ende stets, einzusetzen und so wiederaufzunehmen das Selbige nie oder in Varianten noch, was anders erst ist, wenn Verlorenes je durch das Erworbene scheint: und also der stete Wunsch, zu versöhnen das Ersehnte mit einer Gegenwart, die gewesen sein wird, wenn die Erinnerung ihr jene Bewegung verleiht, die Silbe für Silbe dies Leben erzeugt. Denn als könnte, so kann anders denn unerfüllt nicht sein, was sich der Fügung, der glücklichen, versagt, entschieden oder verzagt und mit einer Heftigkeit, die verletzt, wenn einem Besinnen auch unterworfen bleibt und zieht, sich staut oder leise schäumt, was zuweilen nahezu trödelnd säumt, als wäre so die Versuchung vereitelt, sich zu ergeben mit Blitzen der ganzen Zeit. Und nicht glatt ist wie gerafft, was gebreitet als ein loses Tuch ein Wehen kaum streift, während am Ufer die Klage oder aus der Tiefe dann steigt der Glanz eines Gestirns, so innig wie nie uns zugedacht: ewiges Leben, das sich verfängt und erzählt, taumelnd wie ergriffen von der Zartheit eines Bedauerns, oder abgeschieden sucht, am Fluss zu schauen das Fließen und es doch nie, wenn auch liebend zu sein. Und tönte, was nahte, es bräche durchs Laub bald wieder der Wind, bald sanfter das Licht, da lassen nicht kann, was zu gleichen verwehrt, im Ersatz  das Ersetzte zu finden, im Entbehren ein Sagen wie in den Intervallen das Rauschen oder im Finstern ein Flimmern, das durch die Schatten dringt in den Schlaf: wenn ein Schauer erfasst die Blätter zwischen den Zeiten, dem Steigen und Sinken, und stets sich wieder vereint, was bleibt, nur im Schreck nicht, entzweit. Denn geraubt scheinen Lust und Not, hört auch brechen sich wie seufzen, als könnte so entlegen berührt nur sein, was Lied war wie Neigung, zu sagen, wie vergangen sein werden und schöner denn einst nun wie immer die Tage: und so wirbt doch und bittet zurück, was nie war, dass es wäre wie gewesen und noch einmal als ein Leben, wenn stetig sich schenkt, was enthaltsam doch sucht ein Gelingen: als gelänge oder fände zur Erfüllung zuweilen die Erwartung, die fragte, ob kommen zu sehen würde einst sein, was zerknäult hinterließ wie duftend den Schmerz oder rauscht als ein Kleid. Denn selten schien reiner oder suchte durchdachter zu entsagen allem Wohllaut der Wunsch, dem Gedenken Klang zu sein, dass durch die Dunkelheit das Verleugnete wiederkehre als gegangene Wege: wenn dann sich auch fügt oder tost, tosend von fern, so scheint es, zu tönen, was zu nennen sich scheut die Scham, die ahnt, als könnte Ahnung nur sein das Helle, da durch die Böschung es drang als Glitzern wie durch dichtes Gezweig. Dass horchend, als hörte ein Gebot sich, strebt und verlässt, weicht oder wankt, was sucht, da eins mit sich nicht ist und Bewegung doch bleibt, die Weise, Ton um Ton wie gebannt und stets von neuem wie dienend zu unterliegen. Denn dies, dies vermag nur, wem unabsehbar gegeben ist der Zwist, der Beruhigung nicht findet, bis versehrt sich dann teilt und treibt Knospen wie Blumen, was ziert, als wäre Eintracht wie unversöhnlich das Schöne stets nur, da es, sich entwindend dem Ewigen, das Schönere liebt als den zu Herzen gehenden Gesang.

 

 

Verfasst für das Symposion: Zwischen Frankfurter und Wiener Schule. Theodor Wiesengrund Adorno: Das Kompositorische Werk. Vorgetragen am 20.11.2015,  Soirée »Durchaus rhapsodisch« in der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien